- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
der Bundespräsident hatte den vorvergangenen Sonntag, den 18. April, zum Gedenktag für die Verstorbenen der Corona-Pandemie bestimmt. Über 80.000 Menschen sind in Folge dieser Pandemie gestorben, über 6.000 auch bei uns hier in Hessen. In ganz Deutschland und auch bei uns in Hessen haben wir gemeinsam innegehalten, ein Zeichen des Erinnerns an die Opfer gesetzt und vor allen Dingen den Angehörigen unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme bekundet. Dies war gut und richtig.
Am meisten aber, meine Damen und Herren, haben mich bei der zentralen Trauerfeier die Schilderungen der Hinterbliebenen beeindruckt und bewegt. Ihre Trauer, ihr Schmerz und ihre Schilderung, dass sie sich häufig von ihren Lieben überhaupt nicht oder nur im kleinsten Kreis verabschieden konnten. In manchen Fällen mussten aufgrund der Vorgaben der Pandemie sogar enge Verwandte oder Freunde von der Trauerfeier ausgeschlossen werden. Durch diese Schilderungen wurden die Enttäuschungen das Leid und der Schmerz ganz konkret. Im Gegensatz dazu hat die öffentliche Wahrnehmung vielfach dazu geführt, dass die Toten der Corona-Pandemie nur noch zu abstrakten Zahlen und zu Statistik geworden sind. Aber genau das dürfen wir nicht zulassen. Es kann nicht darum gehen, nur noch die Toten zu zählen, sondern ihr Schicksal muss uns mehr als alles andere dazu bewegen, alles zu tun, um weitere Opfer dieser Pandemie zu vermeiden.
Unsere bisherigen Maßnahmen haben gewirkt. Die vielfach vorhergesagte Explosion der Infektionszahlen ist nicht eingetreten, aber die Zahlen steigen weiter an und sind nach wie vor zu hoch. Auch die Lage in unseren Kliniken und die nahezu täglichen Aufrufe der Intensivmediziner, eine weitere Belastung des Gesundheitssystems nicht zuzulassen, zwingen zum Handeln.
Ein solcher Zwang zum Handeln wird bis auf wenige, zum Beispiel Corona-Leugner, allgemein bejaht. Über die Frage, wie konkret zu handeln ist, gehen die Meinungen jedoch schon deutlich auseinander.
In den letzten Wochen haben wir eine breite Debatte um die Notwendigkeit einer sogenannten Bundes-Notbremse geführt. Der Sinn sollte eine bundeseinheitliche Regelung, die Beseitigung des vermeintlichen Flickenteppichs und vor allen Dingen eine drastische Reduzierung der Kontakte zur Unterbindung des Infektionsgeschehens sein.
Die einzelnen Bestimmungen des nun verabschiedeten Gesetzes haben schon vor und während der Beratungen teils heftige Kritik erfahren. Z.B. renommierte Rechtswissenschaftler, der deutsche Landkreistag, die Handelsverbände oder die Sportorganisationen haben massive Kritik geübt. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da es in unserem Land an einer breiten Überzeugung über die geeigneten Mittel und deren Wirkung fehlt.
Regelmäßig sind den einen die Regelungen zu viel und zu hart, den anderen zu wenig und nicht hart genug.
Praktisch keine Maßnahme ist unstrittig, ob sie denn überhaupt wirkt und gegebenenfalls, was sie denn wirklich bringt. Für jede Position wird auf Wissenschaftler oder Experten verwiesen.
Denken Sie zum Beispiel an das Thema der Ausgangssperre. Von bekannten Virologen wird gefordert, ganztags Ausgangssperre sei notwendig und andere, insbesondere Aerosolexperten, weisen darauf hin, dass gerade der Aufenthalt im Freien epidemiologisch weitgehend unbedenklich sei.
Dieser bunte Expertenstreit macht eine Entscheidung für die Politik nicht leichter und erschwert insbesondere die notwendige Akzeptanz der Bevölkerung.
Genau dieses widersprüchliche Bild hat sich auch im Abstimmungsverhalten der Fraktionen des Deutschen Bundestages gezeigt: CDU und CSU sowie SPD dafür, FDP, Linke und AfD dagegen und die Grünen Enthaltung.
Diese Problematik hat uns natürlich auch in den Beratungen des Bundesrates beschäftigt. Ich möchte im Folgenden kurz Gelegenheit nehmen, Ihnen unsere Überlegungen darzustellen und insbesondere auch die Abstimmungsentscheidung zu erläutern. Zunächst zu den rechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken: Es ist richtig, wir befinden uns in der größten Krise unseres Landes seit 100 Jahren mit Ausnahme der Kriegszeiten. Dies macht besondere Maßnahmen erforderlich. Richtig ist aber auch, noch nie haben wir in unserem Land so tiefgreifend in die Grundrechte unser Bürgerinnen und Bürger eingegriffen. Allein das macht schon eine sorgfältige Abwägung erforderlich. Zügiges Handeln und trotzdem sorgfältige Abwägung der Grundrechte sind aus meiner Sicht kein Widerspruch. Der Gießener Verfassungsrechtler Professor Franz Reimer hat dies in seiner öffentlichen Stellungnahme sehr gut auf den Punkt gebracht. Die jetzige Konstruktion des § 28 des Infektionsschutzgesetzes schließt praktisch jegliche Abwägung zwischen verschiedenen Grundrechtsgütern aus und führt zu einem faktischen Abwägungsverbot. Dies hält Reimer für grundrechtswidrig, weil alle staatliche Gewalt an die Grundrechte gebunden ist. Ich bin gespannt, wie das Bundesverfassungsgericht diesen Sachverhalt beurteilt. Schon jetzt sind viele Verfassungsbeschwerden angekündigt oder gar eingelegt, wie auch zum Beispiel von der FDP-Bundestagsfraktion.
Nach meiner Überzeugung ist die hier bei uns in Hessen gültige Regelung besser. Nach unserem Eskalationskonzept ist eine Ausgangssperre ausdrücklich möglich, aber als Ultima Ratio, also als letzte Möglichkeit, wenn alle anderen Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen. Sie ist damit auch besser in der Lage, die Grundrechte zu wahren.
Leider war es aufgrund der durch den Deutschen Bundestag gewählten Vorgehensweise für die Länder nicht möglich, hier entsprechend mitzuwirken. Gleiches gilt für eine ganze Reihe von praktischen Fragen, der Umsetzung, Abgrenzung oder der Plausibilität.
Ich bedauere ausdrücklich, dass der deutsche Bundestag nicht die Gelegenheit genutzt hat, die vielfältigen praktischen Erfahrungen der Länder und Kommunen, die ja letztlich die Regelungen vor Ort umsetzen müssen, in dem Beratungsprozess für dieses Gesetz zu nutzen. Ich bin überzeugt, dies hätte das Gesetz wesentlich besser gemacht. So hätte ich mir z.B. auch eine vernünftige Regelung zum Vereinssport gewünscht. Nicht nur, aber gerade im Interesse von Kindern und Jugendlichen.
Im Bundesrat gibt es in einem solchen Gesetzgebungsverfahren dann keine Möglichkeiten mehr, durch Einzelanträge einzuwirken, sondern es verbleibt lediglich die Möglichkeit, entweder das gesamte Gesetz zu stoppen und den Vermittlungsausschuss anzurufen oder eben das Gesetz passieren zu lassen.
Hätten die Länder den Vermittlungsausschuss angerufen, so hätte ein anschließendes Vermittlungsverfahren mit erneuter Befassung des Deutschen Bundestages und des Bundesrats bei aller Beschleunigung doch einige Zeit gebraucht. Unter Abwägung dieser Umstände hat sich Hessen wie alle anderen Länder auch dazu entschlossen, nicht den Vermittlungsausschuss anzurufen. Wir wollten alle, dass die Maßnahmen möglichst rasch wirken. Dieses Verhalten ist kein Widerspruch, sondern ein sorgfältig abgewogenes Verhalten, das zum einen der Beratungssorgfalt eines Gesetzgebungsorgans und zum anderen dem möglichst raschen Schutz vieler Menschen entspricht.
Meine Damen und Herren, das neue Bundesgesetz ist praktisch mit einer Frist von einem Tag nach seiner Beratung am Samstag in Kraft getreten. Das wirkt unmittelbar in vielen Bereichen und bedarf keiner weiteren landesrechtlichen Verordnungen oder Festlegungen, genauso wenig wie kommunaler Allgemeinverfügungen.
Das Gesetz geht grundsätzlich davon aus, dass bei einer Inzidenz von unter 100 die Länder über die entsprechenden Regelungen entscheiden können. Ab einer Inzidenz von 100 sind alle Maßnahmen auf der Grundlage des Bundesgesetzes einheitlich und verbindlich durchzusetzen. Nur bestimmte Bereiche zum Beispiel des Handels bis zu einer Inzidenz von 150 und hinsichtlich der Schulen und Kitas bis zu 165 können die Länder zumindest teilweise selbst entscheiden. Über die Sinnhaftigkeit der einzelnen Zahlen ist vielfach gestritten worden, das hilft aber konkret für uns nicht weiter, da sie nun geltendes Gesetz sind.
Hierbei ist zu beachten, dass für die Frage, welche Zahlen gelten, nunmehr allein die Zahlen des Robert-Koch-Instituts als Grundlage dienen.
Um keine Unklarheiten über die Umstände aufkommen zu lassen, welche Zahlen für welchen Kreis und welche kreisfreie Stadt gelten, hat das Kabinett auch entschieden, dass das Sozialministerium täglich verbindlich für alle die Grenzwerte bekannt gibt.
Der Gesetzgeber hat sich bewusst entschieden, als Bezugspunkt für diese Inzidenzberechnung die jeweiligen Kreise und kreisfreien Städte zu bestimmen. Diese Regelung muss dazu führen, dass es zwangsläufig zu unterschiedlichen Regelungen je nach Inzidenzzahlen, nach Branchen oder Zeitabläufen kommen wird.
Gerade in einem Ballungsraum wie dem Rhein-Main-Gebiet würde dies nach den heutigen Zahlen zum Beispiel in Frankfurt und Offenbach nicht ermöglichen, die Geschäfte mit entsprechender Terminvoranmeldung und Testung zu öffnen, während dies im anliegenden Wetteraukreis oder zum Beispiel im Main-Taunus-Kreis möglich wäre. Genauso würde es zu erheblichen Unterschieden bei den Schließungen an den Schulen und Kitas kommen. Bei den einen wäre zumindest Wechselbetrieb möglich, bei den anderen blieben die Schulen komplett geschlossen und auf Distanzunterricht und Notbetreuung umgestellt.
Unmittelbar geltende Bundesregelungen lassen den Ländern relativ wenig Spielraum. In einigen wenigen, aber durchaus bedeutsamen Fällen haben wir diesen Spielraum ausgenutzt. Bereits einen Tag nach Verabschiedung des Gesetzes hat das hessische Landeskabinett die Konsequenzen dieses Gesetzes beraten und dort, wo entsprechender eigener Handlungsspielraum besteht, diesen auch genutzt. Zunächst einmal haben wir beschlossen, dass überall dort, wo die Inzidenz unter 100 liegt, es bei den bisherigen Regelungen in Hessen verbleibt. Wir wollten bei der schwierigen Situation alle Beteiligten und insbesondere auch die Bevölkerung jetzt nicht noch durch zusätzliche Veränderungen belasten.
Zum zweiten sieht das Gesetz die Möglichkeit für die Länder vor, bei einer Inzidenz von 100 bis 150 Einkaufen nach Voranmeldung und mit Test zu ermöglichen. Also das berühmte „Click-and-Meet“. Bei einer Inzidenz von über 150 ist dies nicht mehr möglich, und es bleibt dann entsprechend dabei, nur Ware nach Bestellung abholen zu können – „Click-and-Collect“. Wir haben uns bewusst für diese Maßnahme des Click-and-Meet entschieden, weil nach den Feststellungen des Robert-Koch-Instituts die Infektionsgefahr im Handel sehr gering ist und wir damit auch einen Beitrag zur Hilfe für den Handel leisten wollen.
Auch in einem dritten Bereich haben wir diese Gestaltungsmöglichkeit genutzt. Bis zu einer Inzidenz von 165 besteht die Möglichkeit, ab Klasse 7 aufwärts Wechselunterricht anzubieten. Das Kabinett hat entschieden, diese Möglichkeit zu nutzen, weil wir der festen Überzeugung sind, dass es mehr als angezeigt ist, dass gerade diese Schülerinnen und Schüler nach fast 5 Monaten die Chance haben sollen, wenn auch sehr eingeschränkt, ihre Schule mal wieder zu sehen und Präsenzunterricht zu erhalten.
In diesem Zusammenhang bedauere ich es ausdrücklich, dass das Bundesgesetz uns keine Möglichkeit gibt, den bewährten und von allen gewünschten Präsenzunterricht für die Abschlussklassen fortzuführen, wenn die Inzidenz 165 überschreitet. Das bedeutet nun konkret, dass wir in den Schulen dort wieder eine Umstellung haben und von dem pandemieeingeschränkten Regelunterricht jetzt auf den Wechselunterricht umstellen müssen.
Das Gesetz gilt bereits seit Samstag, aber ich habe bereits im Bundesrat darauf hingewiesen, dass man Schule nicht vom einen auf den anderen Tag erfolgreich umorganisieren kann. Schulen, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und auch die Eltern brauchen ein Mindestmaß an Zeit, um sich auf die veränderten Verhältnisse einstellen zu können. Genau dies habe ich auch in der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung am Freitag deutlich gemacht.
Das Bundesgesetz hat auch festgelegt, dass ab einer Inzidenz von 165 die Schulen zu schließen sind und eine Notbetreuung einzurichten ist. Auch dieses kann nicht über Nacht und über das Wochenende geschehen. Genau das war mit meiner Äußerung gemeint, dass wir davon ausgehen, dass dies einige Tage dauern wird und, bis es komplett umgesetzt ist. Das bedeutet, anders als von manchen insbesondere in Frankfurt interpretiert, dass Hessen selbstverständlich das Bundesgesetz anwendet, aber Unmögliches nicht verlangt werden kann. Trotzdem bleiben die Schulen und Schulträger gehalten, die neue Gesetzeslage sobald als möglich herzustellen.
Gleiches gilt natürlich auch für die Kitas. Die Kitas von heute auf morgen zu schließen, ist einfach. Eine funktionierende Notbetreuung auf die Beine zu stellen, fordert jedoch einige Tage, um die damit verbundenen Umstellungsnotwendigkeiten zu bewältigen.
Über diese und eine ganze Fülle weiterer praktischer Vollzugsprobleme hat die Landesregierung sich bereits vergangenen Freitagabend mit den kommunalen Spitzenverbänden ausgetauscht, und in der bewährten Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen haben wir hier große Übereinstimmung festgestellt.
Meine Damen und Herren, als Fazit bleibt: Das neue Bundesgesetz gilt. Hessen wird es natürlich anwenden, und wir alle sind alle dazu aufgerufen, dieses Gesetz und seine Maßnahmen zu seinem Erfolg zu machen.
Meine Damen und Herren,
Das Impfen ist der Schlüssel zur Überwindung dieser Pandemie!
Bis zum gestrigen Tage sind in Hessen über 1,8 Mio. Schutzimpfungen durchgeführt worden. Rund 1,4 Mio. Bürgerinnen und Bürger haben bereits ihre erste Impfung und rund 470.000 ihre zweite Impfung erhalten.
Die Impfstoff-Produktion nimmt immer weiter zu, für Mai rechnen wir für Hessen mit Lieferungen von 346.000 Impfdosen pro Woche. Umso wichtiger ist es, dass wir diese anwachsenden Impfstoff-Mengen so schnell wie möglich zu den Menschen bringen und ihnen die Möglichkeit bieten, sich impfen zu lassen und vor dem Corona-Virus zu schützen.
Die registrierten Impfberechtigten der Priorisierungsgruppen 1 und 2 haben inzwischen alle ein Terminangebot erhalten – einige Briefe sind vielleicht noch mit der Post unterwegs – und werden bis spätestens Ende Mai erstgeimpft werden können. Aufgrund unterschiedlicher Altersstrukturen in Hessen gibt es – je nach Region – auch zunehmend größere Unterschiede im Hinblick auf die Impfbevorrechtigten bzw. auf die Wartezeiten und den Impffortschritt in den einzelnen Altersgruppen. So kommen in einzelnen Impfzentren bereits jetzt nur noch wenige Bürgerinnen und Bürger für eine Impfung von AstraZeneca in Frage. Aus diesem Grund haben wir bereits vor anderthalb Wochen die Registrierung von Impfungen mit diesem Wirkstoff für alle mindestens 60-Jährigen freigegeben. Mehr als 116.000 davon haben sich seitdem registriert, und über 15.000 haben bereits die erste AstraZeneca-Impfung aus diesem Kreis erhalten.
Seit vergangenem Freitag können nun auch alle Angehörigen der Prioritätsgruppe 3 registriert und geimpft werden. Rund 1,5 Mio. Menschen. Bei dieser Gruppe handelt es sich neben den erwähnten 60-Jährigen bis 69-Jährigen zum einem um Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, zum anderen etwa um Mitglieder von Verfassungsorganen, der Polizei, der Feuerwehr und des Katastrophenschutzes, Angehörige der Justiz und der Rechtspflege, Angestellte im Lebensmitteleinzelhandel oder auch Beschäftigte in der Kinder- und Jugendhilfe. Generell gilt dabei, dass die Angehörigen der Prioritätsgruppe 1 und 2 aber weiterhin vorrangig mit einem Impfangebot versehen werden.
Ich verstehe sehr gut, dass möglichst alle so schnell wie möglich geimpft werden wollen. Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion, insbesondere bei der Feuerwehr und dem Katastrophenschutz, muss man aber darauf hinweisen, dass es nie an der fehlenden Wertschätzung gerade dieser Personen gefehlt hat, sondern schlicht an den rechtlichen Rahmenbedingungen und insbesondere an genügend Impfstoff. Entscheidend ist doch, dass nun auch die Angehörigen dieses Bereichs geimpft werden können.
Um möglichst viele Bürger impfen zu können, haben wir auch beschlossen, dass alle Impfwilligen ohne jede Priorisierungsvorschrift ab sofort mit dem Impfstoff von AstraZeneca geimpft werden können. Dies ergibt gerade für jüngere Menschen die Möglichkeit, jetzt nicht mehr warten zu müssen. Da der Bund beabsichtigt, AstraZeneca vornehmlich an die Hausärzte auszuliefern, wird diese Möglichkeit der Impfung ohne Prioritäten besonders bei den Hausärzten bestehen.
Wir bereiten derzeit auch die Einbeziehung der Betriebsärzte vor, die nach den Planungen des Bundes ab Juni möglich sein wird. Auch dies wird im Zuge der anwachsenden Impfstoff-Lieferungen das Impfen weiter deutlich beschleunigen.
Bei den hessischen Betrieben besteht eine hohe Mitwirkungsbereitschaft. So haben sich 70 große Unternehmen mit betriebsärztlichen Diensten mit geschätzt über 360.000 Impfwilligen bereits bei uns gemeldet.
Bereits ab dem 3. Mai werden wir ein Pilotverfahren für das Impfen durch die Betriebsärzte zeitgleich in vier hessischen Pharmaunternehmen starten, der Merck KGaA aus Darmstadt, der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH aus Frankfurt, der B. Braun Melsungen AG sowie der Marburger Pharmaserv GmbH. Wir wollen hier zunächst Erfahrung gewinnen, bevor wir dann auf alle Betriebsärzte zugehen.
Auch die Privatärzte wollen wir sobald als möglich miteinbeziehen. Dies ist jedoch erst möglich, wenn die Bundesregierung die entsprechenden Voraussetzungen schafft.
Meine Damen und Herren, der Anteil der Erstgeimpften in Hessen von 22 Prozent ist im Vergleich der Bundesländer derzeit weniger befriedigend. Das ärgert uns auch, hat aber viele Gründe, unter anderem z.B. den, dass andere Länder pro Kopf der Bevölkerung mehr Impfstoff erhalten als wir hier in Hessen. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir z.B. bei den Zweitimpfungen deutlich über den Bundesschnitt und derzeit auf Platz 6 liegen.
Mit einem Bündel von Maßnahmen, insbesondere der Auflösung von Impfstoff-Rücklagen des Landes, aber vor allem auch in den Impfzentren, die sehr unterschiedliche Impfquoten haben, und der Verlängerung der zeitlichen Intervalle zwischen Erst- und Zweitimpfung werden wir sehr bald auch bei den Erstimpfungen deutlich nach vorne kommen.
Einen besonderen Umstand möchte ich hier auch erwähnen. Zahlreiche mitgeteilte Impftermine werden nicht wahrgenommen. Dies bedaure ich sehr. Noch mehr bedaure ich, wenn Termine ohne Absage nicht wahrgenommen werden und somit anderen die Chance auf eine zeitnahe Impfung genommen wird. Ich bitte deshalb alle Bürgerinnen und Bürger, wenn Sie die zugesagten Impftermine aus welchen Gründen auch immer nicht wahrnehmen, dies doch vorher mitzuteilen, damit keine Lücken und Verzögerungen beim Impfen entstehen.
Das Land ist deshalb dazu übergegangen, auf Grundlage unserer Erfahrungswerte die Termine zu überbuchen. Dabei ist natürlich sichergestellt, dass jeder der erscheint, auch geimpft werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf einen für uns alle sehr erfreulichen Umstand möchte ich besonders eingehen.
Bei unserem Ziel, die schutzbedürftigsten Bürgerinnen und Bürger vor einer Infektion zu bewahren und ihnen zugleich wieder mehr Kontakte zu ermöglichen, haben wir einen ganz entscheidenden Meilenstein erreicht. Seit Anfang April haben sämtliche Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen in Hessen ein Impfangebot erhalten, und die Erstimpfungen sind auch bereits abgeschlossen. Wer geimpft werden wollte, wurde geimpft. Die Entwicklung der Zahl der Infektionen und der an bzw. mit Covid-19 in Alten- und Pflegeheimen Verstorbenen ist stabil auf einem niedrigen Niveau. Darum haben wir beschlossen, seit Monatsanfang wieder mehr Besuche in den Alten- und Pflegeeinrichtungen mit FFP2-Masken und aktuellem negativem Testergebnis für die Besucher zu ermöglichen. So können sich Angehörige wieder öfter sehen und wir tragen einem besonders wichtigen Anliegen Rechnung. Mein besonderer Dank gilt dabei den mobilen Teams der Impfzentren und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Alten- und Pflegeeinrichtungen.
Gerade in Zeiten, in den viele Regelungen wieder verschärft werden, dürfen wir uns alle über diese Entwicklung sehr freuen.
Gestern fand erneut eine MPK mit der Bundesregierung statt. Die Fragen einer Aufhebung der Prioritätenlisten beim Impfen und Überlegungen, wie mit Doppeltgeimpften im Hinblick auf die Einschränkung ihrer Grundrechte umzugehen ist, standen im Mittelpunkt der Diskussion.
Eine Aufhebung der Prioritätengruppen vor Juni fand hierbei keine Zustimmung. Die Priorisierung soll aber spätestens im Juni aufgehoben werden. Hinsichtlich des Umgangs mit Doppeltgeimpften ist die Debatte noch voll im Fluss und die Beratungen werden fortgeführt.
Insbesondere das notwendige Zusammenspiel zwischen Gewährung der Grundrechte für Doppeltgeimpfte und praktische wie politische Umsetzungsprobleme spielen hierbei eine große Rolle.
Das Robert-Koch-Institut empfiehlt seit Kurzem ausdrücklich, vollständig geimpfte Personen 14 Tage nach der abschließenden Impfung mit negativ getesteten Personen gleichzustellen.
In Hessen haben wir bereits reagiert und unsere Verordnung entsprechend mit Gültigkeit vom heutigen Tag geändert. In allen Bereichen, in der nach unseren Verordnungen der Nachweis geführt werden muss, dass für eine Infektion mit dem SARS-CoV2-Virus keine Anhaltspunkte vorliegen – der sogenannte Negativnachweis oder auch „Freitesten“ – werden vollständig Geimpfte getesteten Personen gleichgestellt. Es braucht dann keinen Test mehr. Das gilt z. B. beim Frisörbesuch oder beim Einkaufen und z. B. auch bei den Quarantäneregeln.
Meine Damen und Herren, wir sind uns alle einig, dass die Pandemie und ihre Folgen gerade für den Bildungserfolg für unser Kinder und Jugendlichen von allergrößter Bedeutung ist. Schulschließungen sind deshalb höchst problematisch, und es muss alles getan werden, um so viel Präsenzunterricht wie möglich zu erlauben.
In der Abwägung verschiedenster Gesichtspunkte kommt dabei dem regelmäßigen Testen von Lehrern und Schülern größte Bedeutung zu.
Nach der sehr ermutigenden Pilotphase in Schulen vor Ostern haben wir deshalb beschlossen, dass eine Teilnahme am Präsenzunterricht und auch an der Notbetreuung nur noch für diejenigen möglich ist, die ein negatives Testergebnis vorlegen, das nicht älter als 72 Stunden ist.
Wir haben als Land hierzu die entsprechenden Selbsttests in ausreichender Zahl den Schulen zur Verfügung gestellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich verstehe manche Bedenken und Sorgen hinsichtlich dieser Testpflicht. Natürlich würden auch wir gerne den Schulen die Organisation dieser Testungen ersparen. Und wir würden auch gerne bei den Tests auf das Prinzip der Freiwilligkeit setzen. Genau davon haben uns aber alle Epidemiologen klar abgeraten. Die Fachleute warnen uns deshalb vor einer Testung zu Hause, weil die Dunkelziffer in diesem Fall als zu hoch eingeschätzt wird. Bei unserem Vorgehen befinden wir uns im Übrigen auch im Gleichklang mit den allermeisten anderen Bundesländern.
Die Erfahrungen aus den Schulen, die für Ostern an der Pilotphase teilgenommen haben, haben überdies gezeigt, dass das Ganze auch gut funktioniert.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, was für die Infektionsvermeidung an den Schulen durch regelmäßiges Testen gilt, gilt in gleicher Weise auch am Arbeitsplatz. Die Hessische Landesregierung ist hier bereits mit gutem Beispiel vorangegangen, und wir ermöglichen allen Beschäftigten zwei Tests pro Woche.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ein wichtiger Teil unserer Teststrategie ist auch der Umstand, dass wir den Kommunen als Träger der Kitaversorgung für alle Erzieherinnen und Erzieher die Tests für regelmäßige zweimalige Testungen in der Woche zur Verfügung stellen.
In diesem Zusammenhang will ich auch auf eine Debatte eingehen, die gerade in jüngster Zeit auch von Mitgliedern dieses Hauses öffentlich geführt wird. Es geht dabei um die Frage, ob es geboten ist, auch für Kitakinder eine Testpflicht anzuordnen. Die Meinungen gehen hierbei in der Fachwelt wie aber auch in der Politik wie so oft sehr durcheinander. Zunächst ist einmal festzuhalten, dass die Kommunen für die Kitas zuständig sind und es ihnen unbenommen ist, in ihrem Bereich eine solche Testung auch bei Kitakindern vorzunehmen. In der Konferenz der Landesregierung mit den Kommunalen Spitzenverbänden am vergangenen Freitag haben wir auch dieses Thema erörtert, und die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände haben sich zu diesem Thema sehr zurückhaltend geäußert und jedenfalls von der Anordnung einer Testpflicht durch das Land dringend abgeraten. Dem schließt sich die Landesregierung ausdrücklich an. Dies hat viele Gründe. Zum einem liegen bislang keine überzeugenden wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu vor und zum anderem ergeben sich eine Vielzahl von praktischen Problemen. Etwa fällt es mir schwer mir vorzustellen, wie z.B. die Kinder der Krippen und Krabbelgruppen vernünftig getestet werden sollen. Es liegt doch auf der Hand, dass die Kinder, die bald in die Schule kommen das leichter hinbekommen als ein- oder zweijährige Kinder. In diesem Zusammenhang wird viel behauptet, hält aber näheren Prüfungen nicht stand. So wird von Lolli-Tests oder Spucktests gesprochen. Davon einmal abgesehen, dass deren Ergebnisse höchst ungenau sind, verlangt z.B. ein aussagefähiger Spucktest, dass die Kinder vorher zwei Stunden lang weder etwas essen noch trinken. Wie das bei Kleinkindern und Kindergartenkindern gewährleistet werden soll, steht schlicht in den Sternen.
Es bleibt aber dabei, die Kommunen können dies selbst entscheiden, und da auch wir als Land großes Interesse daran haben, dass dort, wo es denn funktionieren mag, wir zum Schutz der Kinder und ihrer Eltern, aber auch der Erzieherinnen und Erzieher so viel wie möglich tun, haben wir als Land den Kommunen schon vor Wochen angeboten, die Kosten solcher Tests für die Kitakinder zur Hälfte vom Land aus unserem Sondervermögen mitzufinanzieren.
Meine Damen und Herren, neben dem Impfen und dem Testen ist das erfolgreiche Nachverfolgen der Kontakte der dritte zentrale Baustein unserer Strategie. Hierzu habe ich Sie bereits in meiner letzten Regierungserklärung unter den Stichworten Sormas-System und Luca-App unterrichtet.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen die Auswirkungen der so genannten Bundesnotbremse, die Weiterentwicklung der Hessischen Teststrategie und die Beschlüsse und Maßnahmen des Landes zum Thema Impfen vorgestellt. Entscheidend ist für mich aber zum Schluss Folgendes:
Wir leben noch immer mitten in der Pandemie, die Lage ist ernst, und sie wird auch noch einige Zeit andauern. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass in einem freien Land die Menschen auf Dauer nicht mit Verordnungen oder Gesetzen und im Falle von der Nichtbefolgung dieser Gesetze dann mit der Bereitschaftspolizei quasi zu ihrem Glück gezwungen werden können. Das wird nicht gelingen. Das wird nur gelingen, wenn die Menschen aus eigener Überzeugung sagen: Jawohl, das ist vernünftig, für mich und meine Familie, aber auch zum Schutz für andere.
Diese Grundakzeptanz braucht es. Dies braucht es umso mehr, wenn wir darauf schauen, dass die jetzigen Regelungen, wenn die Inzidenzzahlen nicht unter 100 gehen, bis zum 30. Juni gelten. In einer Zeit, in der es draußen immer wärmer wird und immer länger hell.
Diese Akzeptanz der Bevölkerung wird man dann am ehesten erreichen, wenn die Menschen verstehen, was wir tun und warum wir es tun. Und deshalb bin ich auch kein Freund obrigkeitsstaatlicher Attitüden, die den Menschen entweder Angst macht oder sie nach dem Motto, wenn ihr nicht folgt, dann müsst ihr büßen, behandelt. Ich setze auf die Bürgerinnen und Bürger als Partner in der größten Krise unseres Landes.
Ich bitte Sie alle, ungeachtet des Streits um Details, wirken Sie mit, diese zwingend notwendige Grundakzeptanz der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu erhalten. Die Allermeisten halten sich an die Regeln, diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, müssen dann auch mit den Mitteln des Ordnungsrechts die Konsequenzen spüren.
Wenn wir diese Grundakzeptanz erhalten, bin ich sicher, dass diese Gesellschaft bis auf extreme Ränder beieinanderbleibt und wir Stück für Stück wieder zu unserem gewohnten Leben in einer freiheitlichen Gesellschaft zurückkehren können.